Warum per Pedelec?

Meine erste Erfahrung mit einem Pedelec machte ich im März 2011 als Reha-Ersatztraining im Freien mit einem gemieteten Flyer-Pedelec von Movelo, Oberstdorf. Ich schaffte es damals nämlich, meinen Kniespezialisten davon zu überzeugen, dass ich nach meinem zweiten Kreuzband- und Meniskusabriss in 1,5 Jahren mit insgesamt zwei OPs samt Reha nicht schon wieder ein Reha-Training auf dem Ergometer in der Halle machen will, sondern viel lieber – gaaaanz vorsichtig – mit einem gemieteten Pedelec auf den schneefreien Straßen um den Rottachsee radeln würde.

 

Anstatt dreimal wöchentlich 20 Min. Langeweile und Trockentraining auf dem Ergometer mit Blick auf die Wand, radelte ich also – oft warm und winddicht eingepackt in meiner Expeditionsbekleidung – fast täglich bei Kälte, Wind, Hagelschauern, Regen oder Sonnenschein um den teils noch vereisten See. Mindestens 45 kurzweilige Trainingsminuten und etwa 19 km an der frischen Luft – mit viel Spaß und total begeistert nach der langen bewegungsreduzierten Zeit!

 

Das Geniale daran war, dass ich die Belastung auf mein Knie dank der verschiedenen zuschaltbaren Schubstufen bei den kurzen, aber teils knackigen Steigungen genau dosieren konnte – in Relation zu meiner zunehmenden Ausdauer und Kraft in der Oberschenkelmuskulatur. Und als ich dann sogar sehr gerne zum Einkaufen, zur Post etc. nach Oy und Mittelberg radelte und dort nicht schweißtriefend und mit knallrotem Kopf ankam, wurde mir klar, dass mir ein gutes Pedelec ermöglichen würde, endlich das Biken komplett in meinen Alltag zu integrieren. So  kam mir dann die - angesichts meiner Wohnlage, meines Jobs und meiner Lebenssituation -zugegeben  verrückte Idee für dieses Projekt: Einfach mal zu schauen, ob ich es schaffe, das Auto komplett durch das Pedelec zu ersetzen!

 

Auch für meinen Job als Bergjournalistin erwies sich das gemietete Pedelec der Firma Movelo, Oberstdorf, im vergangenen Sommer als ideales Transportmittel auf den teils über 20 km langen asphaltierten und für den öffentlichen KFZ-Verkehr gesperrten Oberstdorfer Alpesträßchen (z.B. Rappenalptal) zum Ausgangspunkt meiner Touren. Und von meinem bezüglich Fitness und Alter sehr heterogenen Grüppchen von irischen/deutschen Freunden, mit denen ich im letzten August zunächst per Pedelec unterwegs war, bevor wir Wanderungen machten, kamen alle gleichzeitig am Ziel an. Meine Freunde waren genauso begeistert wie ich.

 

Daraus entstand die Idee für dieses Langzeitprojekt, meinen einjährigen journalistischen Selbstversuch.

Was soll daran denn eine Herausforderung sein?

Ich wohne im Oberallgäu, im Ortsteil Oberzollhaus von Oy-Mittelberg. Wir haben hier nicht einmal einen Tante-Emma-Laden. Zur nächsten Einkaufsmöglichkeit und retour (Penny, Feneberg, Post, Metzgerei, Bäckerei, Apotheke, Zahnarzt etc.) in Oy oder Mittelberg sind es - je nach Route - sieben bis zehn Kilometer, und dabei geht's zuerst bergab und dann knackig bergauf. Die Strecke nach Oy und Mittelberg ist zwar keine Bergstrecken-Herausforderung für hammerharte Biker, aber doch so, dass ich bisher – vor allem im Sommer – mit hochroter Birne, total verschwitzt und mit Schnappatmung (leicht übertrieben) dort ankam. Ich möchte aber nicht keuchend und schweißtriefend im Lebensmittelladen, in der Paxis meines Arztes oder in der Post stehen – weshalb ich in all den Jahren fast immer mit dem Auto nach Oy und Mittelberg fuhr.

 

Wie oft habe ich mich darüber schon geärgert: „Das sind doch keine Distanzen, eigentlich wären diese Strecken ein tolles Ausdauerprogramm im Alltag. 

Nach Kempten sind es - je nachdem, wohin man da fahren muss - hin und retour 30 bis 45 km ... Zur Outdoor-Messe nach Friedrichhafen will ich auch radeln, zu meinen Eltern auf der Schwäbischen Alb in Eybach bei Geislingen an der Steige, zu meiner Freundin Maxi nach Ulm, vielleicht zu Claudia und Tom nach Kufstein, zu den Ausgangspunkten meiner Bergtouren im Allgäu, zu Freunden, Festen, Pressekonferenzen, Vorträgen, Schulungen, zum kleinen, feinen Theater in Kempten ...

All das, was ich bisher "schnell mal " per Auto gemacht habe. 

Natürlich ist das als sportliche Leistung überhaupt nichts Besonderes. Darum geht es hier auch nicht. Die Herausforderung dabei ist diesmal kein hoher oder technisch anspruchsvoller Berg oder eine Tour für Konditionsbolzen, sondern der verflixte Alltag und mein Beruf! 

 

Wer in diesem Projekt nichts Besonderes sieht, sollte sich mal überlegen, dass heutzutage beispielsweise eine organisierte Siebentausender-Expedition in Pakistan nur vier bis fünf Wochen dauert, in denen man sich völlig auf ein Ziel, den Gipfel, fokussiert. So ein Langzeit-Projekt im normalen Alltag ist dagegen etwas völlig anderes und verlangt nach meiner Einschätzung viel mehr Willenskraft und Durchhaltevermögen. Vermutlich kann das nur der nachvollziehen, der öfter wochenlang unterwegs war/ist für ein anspruchsvolles Ziel, wie einen hohen Berg oder ein anspruchsvolles Trekking mit viel Gepäck. Oder  fast ein ganzes Jahr auf Tour in Alaska/Kanada. Selbst eine einjährige Radtour halte ich letztendlich für ein leichteres Projekt – da hat man täglich ein konkretes Ziel, die jeweilige Etappe, täglich neue Eindrücke und anhand der zurückgelegten Distanzen einen zutiefst befriedigenden Blick auf das bereits Geleistete. Und vor allem fehlt dabei das Chaos des Alltags, die Hektik, in der man vieles machen und erledigen muss. Der Alltag ist diesbezüglich doch viel zermürbender. 

 

Es wird viele Momente während des Projektes geben, in denen mir ganz spontan der zarte Geduldsfaden reißen könnte. Wegen möglicher Kurzschlusshandlungen, die ich hinterher bereuen würde, wird mein Auto daher abgemeldet. Bei Bedarf kann und werde ich natürlich wie bisher öffentliche Verkehrsmittel nutzen: Es gibt eine Buslinie und die Haltestelle der Außerfern-Bahn bei uns im Ort.

 

Langweilig wird es mir bestimmt nicht – und den diesbezüglich interessierten Lesern habe ich einen Blog eingerichtet, in dem Sie meine Erlebnisse und Erfahrungen mit meinem Pedelec mitverfolgen können - bleiben Sie dran!


Sponsoring?

Nein, ich werde nicht gesponsert!

Transparenz und Offenheit sind hier sehr wichtig:

Ich darf das Pedelec und den ebenfalls durch Riese & Müller vermittelten Anhänger der Firma Weber während der Zeit meines Selbstversuchs gratis testen und nutzen. Dasselbe gilt für einige Bike-Produkte anderer Outdoor-Ausrüstungs-Firmen, wie von Vaude, Deuter,  Garmin, ... die mich als Berg- und Reisejournalistin seit vielen Jahren kennen. Bei der Bekleidung nutze ich z.B. meist die Funktionsbekleidung, die ich schon habe. Zudem  sehe ich damit auch nicht aus, als hätte ich mich bei der Tour de France verfahren. Ich trage unter meinen Lieblings- Trekkinghosen einfach Bike-Underwear - für mich die optimale Kombination. 

Ich könnte ohne dieses Testmaterial meinen journalistischen Selbstversuch gar nicht machen, zumal ich als reine Freizeit-Mountain-Bikerin bisher gar keine spezielle Bike-Ausrüstung brauchte und hatte. Nicht einmal Bikeschuhe. 

Als freie Berg- und Reisejournalistin schreibe ich seit vielen Jahren auch über Bergausrüstung und Funktionsbekleidung und habe daher von vielen Herstellern tolle Test-Funktionsbekleidung im Schrank - wie das bei uns in der Branche üblich ist. Auch aus Gründen der Nachhaltigkeit werde ich zum Großteil die Funktionsbekleidung nutzen, die ich bereits habe und so einen  "wilden Markenmix" tragen.  Ich werde keinen Blog über Bike-Ausrüstung schreiben - ich schreibe nur dann über meine Ausrüstung, wenn ein Teil mich völlig überrascht und es für das Thema - Pedelec als Autoersatz - wirklich relevant ist. 

So ein Blog ist ziemlich zeitaufwändig - ich werde dafür nicht bezahlt, verdienen kann ich nur durch selbst geschriebene Artikel in Printmedien und durch das daraus entstehende Buch - bei entsprechendem Interesse der Medien. 

"Without fear and without favour"- ohne Furcht und ohne Gefälligkeit. 

Motto der britischen „Financial Times" im 19. Jh., als die Leser guten Journalismus noch schätzten und diesen von PR unterscheiden konnten - und wollten.